Customer Experience: Es ist Zeit für Unternehmen, sich ehrlicher und auf Augenhöhe mit den Kundenbedürfnissen auseinanderzusetzen

Blog | Customer Experience: Interview mit Barbara Baminger von A1
Blog | Customer Experience: Interview mit Barbara Baminger von A1

Kommunikation mit Kund:innen – das betrifft jedes Unternehmen, egal in welcher Branche. Aber wie erkennen Unternehmen, was der Kunde will? Barbara Baminger, Gruppenleiterin Experience Management (CX) bei Österreichs größtem Telekommunikationskonzern A1, im Gespräch mit Stefanie Normann über aktuelle Methoden für „CX“.

 

Stefanie Normann: Barbara, wie macht man das – professionell verstehen, was der Kunde will?

Barbara Baminger: Genau diese Frage stellen wir uns im Team täglich! Wir haben es uns im Team zum Ziel gesetzt, genau zu verstehen und analysieren was der Kunde will, braucht und was Motivatoren sind.

Dafür nutzen wir verschiedene Informationsquellen und methodische Ansätze. Wir analysieren mittels Natural Language Processing (NLP) die Freitext-Antworten unserer Kunden oder mittels Nethnography die Konversationen über uns als Marke im Netz. Wir treffen außerdem die Kunden an den verschiedenen Touchpoints, dazu haben wir ein eigenes Programm geschaffen mit dem Namen „Meet the Customer“.

Kernstück ist aber immer dass wir Kunden-Verhalten beobachten, in Interaktion treten und viele Rückfragen stellen. Dies tun wir beispielsweise mit unserer regelmäßigen Usability-Testreihe oder eigenen virtuellen Austausch-Formaten, in denen wir im 1:1-Gespräch mit den Kunden über ihre Erfahrungen und Erlebnisse sprechen. Diese gewonnenen qualitativen Erkenntnisse werden dann in der Analyse mit quantitativen Daten angereichert und verschnitten. Daraus leiten wir Hypothesen und cross-funktionale Handlungen ab, diese testen wir dann und tracken deren Wirksamkeit.

 

Stefanie: Warum sollten Unternehmen sich mit „Customer Experience“ beschäftigen? Und wie bekommt man diesen Skill?

Barbara: Ich denke, es gibt keine gerade Linie die zu CX führt und als Expertise und Skill ist Customer Experience ja noch relativ neu – und auch ständig am Wachsen. Erste Ursprünge sind sicherlich im Bereich Customer Retention (Kundenbindung, Anmerkung der Redaktion) und dem Versuch, Kundenzufriedenheit akkurater zu messen. Das wurde 1995 in dem Artikel „Why satisfied customers defect“ im Harvard Business Review ausführlich thematisiert.

Und dann wurde ja als Reaktion auf die „Verbreitung“ des Internets 1999 das Cluetrain Manifesto veröffentlicht, in dem von den Autoren gefordert wurde anders, also direkter, ehrlicher und auf Augenhöhe in Interaktion zu treten.

Parallel dazu hat sich auch irrsinnig viel getan im Bereich Research-Methoden. Das alles hat dazu geführt, dass es meiner Meinung nach schon in den frühen 2000ern an der Zeit war, sich als Unternehmen ehrlicher, direkter und auf Augenhöhe mit den Kundenbedürfnissen auseinanderzusetzen. 

 

Stefanie: Wenn ich als Unternehmen in Sachen Customer Experience aktiv(er) werden möchte, was ist ein guter erster Schritt?

Barbara: Hier antworte ich mit einem Zitat von Mark Twain: „Das Geheimnis des Vorwärtskommens besteht darin, den ersten Schritt zu tun.“ Und genau darum geht es bei CX, um das Vorwärtskommen.

Es gibt viele Ansätze und ich denke, jeder muss den für sich passenden ersten Schritt finden. In jedem Fall wichtig ist aus meiner Sicht:

  • Messbarkeit (NPS), tatsächlich ist oft der erste Schritt in Richtung Customer Experience die Implementierung eines Net Promoter Score Programms bzw. einer NPS-Messung.
  • Ein Kundenzentriertes Mind-Set schaffen: Warum ist Kundenzentrierung wichtig? Am Ende bezahlt der Kunde unsere Gehälter.
  • Die nötigen CX Skills im Unternehmen aufbauen.
  • Ein Netzwerk Gleichgesinnter aufbauen. „FenceSitters“ muss man ignorieren, wer nicht mitkommt muss halt nachlaufen.

Ein Beispiel aus der Praxis: Es ist ja immer viel von Design Thinking und dem Double Diamont die Rede. Wir haben festgestellt, dass das klassische Design Thinking für uns als Team nicht optimal funktioniert und deshalb haben wir Erweiterungen vorgenommen und so unseren, für uns passenden, A1 Service Design Prozess geschaffen.

 

Stefanie: Customer Experience kann man nicht besprechen ohne das Stichwort NPS – Net Promoter Score. Was ist das und wie misst man diese wichtige Kennzahl?

Barbara: Der Net Promoter Score ist eine der wichtigsten CX KPI’s – also zumindest bei uns – und der Charme dieser Kennzahl besteht in ihrer Schlichtheit und auch der strengen Berechnungsweise. Der NPS sagt ja im Vergleich zu anderen CSAT (Customer Satisfaction Measures) aus, wie hoch die Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden ist. Er errechnet eben keine Mittelwerte, sondern durch die Art der Berechnung ergibt sich ein mögliches Antwortspektrum von -100 bis +100.

Nach der Weiterempfehlung kann man fragen für eine Marke („Relational NPS“), ein Produkt („Product NPS“) oder eben einen konkreten Service Touchpoint („Touchpoint NPS“ oder auch „Transactional NPS“). Es gibt auch den NPS für Arbeitgeber („Employee NPS“). Der NPS hat sich seit 2003 global sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich etabliert.

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, der NPS wirkt auch im Kontext von Branding und Kommunikation („Relational NPS“). Zur Verbesserung der NPS-Werte bedarf es einer stetigen Analyse und einem klaren Set an Maßnahmen, das man sowohl auf operativer Ebene als auch strategischer Ebene verfolgt. In der Literatur wird dazu immer unter dem Stichwort „Closed Loop“ referenziert. Das bedeutet, wir arbeiten mit den Ergebnissen und geben eine Rückmeldung  – an den Kunden bei Unzufriedenheit und in die Organisation, wie die Massnahmen wirken.

 

Stefanie: Kommunikation von Unternehmen zielt ja – insbesondere in den Bereichen PR, Marketing-Kommunikation und digitalem Marketing – darauf ab, Image und Reputation in der Wahrnehmung des Kunden zu verändern. Welchen Beitrag kann Customer Experience da leisten?

Barbara: Einen großen! Der NPS ist die Kennzahl, die die Themenfelder sichtbar macht. Hat man die großen „Pains“ der Kunden erstmal identifiziert, geht es darum mithilfe der CX-Toolbox, zum Beispiel Customer Journey Mapping oder Service Blueprints die Handlungsschritte und Erlebnis-Kette des Kunden sichtbar zu machen und die „Moments of Truth“ aufzudecken. So können gezielt Verbesserungen herbeigeführt oder die Weichen für eine veränderte Kommunikation gestellt werden.

Stefanie: Barbara, vielen Dank für deine Insights!

 

Mehr zu Barbara Baminger und A1

Barbara Baminger leitet beim österreichischen Telekommunikationskonzern A1 die Gruppe Experience Management. Sie untersucht mit Ihrem Team von 14 Mitarbeiter:innen, wie die A1-Experience in ganz Österreich bei den Kunden wahrgenommen wird und welche Bedürfnisse in Bezug auf Digitalisierung die Kunden haben. Barbara Baminger stammt aus Oberösterreich, hat Internationale Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck studiert und für große Marken im Bereich Konsumgütern & Haushaltsgeräte sowie Banken in Österreich, Belgien und Schweden gearbeitet. Bevor sie zu A1 kam, hat sie eine international erfolgreiche Wetter-App mit ihrem Team entwickelt und vermarket.

 

Bild: Jo Szczepanska/Unsplash, Barbara Baminger

Artikel von Stefanie Normann

Stefanie Normann hat 15+ Jahre Erfahrung in Unternehmenskommunikation und Marketing in internationalen Unternehmen sowie Agenturen in Hamburg und Wien, davon über 6 Jahre als Führungskraft. Die Arbeitsschwerpunkte bei Normann Consulting: Kommunikation, Führung, Teamentwicklung und Veränderungsmanagement. Hier im Blog gibt's regelmäßig Tipps und Updates zu diesen Bereichen.